Die Versicherungskammer Bayern will die Zahlung der Betriebsschließungsversicherung verweigern, weil es schließlich den zehn Milliarden Euro schweren staatlichen Hilfstopf gebe. Dabei hat das Landgericht München bereits Anfang Oktober festgestellt, dass staatliche Leistungen wie Kurzarbeitergeld und Soforthilfen nicht auf die Versicherungsleistung anrechenbar sind. Gastronomen und Hoteliers sollten also solchen fadenscheinigen Argumenten nicht folgen, sondern auf ihrem Recht beharren, um die Versicherungsleistung zu erhalten.
Die Debatte um die Zahlungsverweigerungen von Versicherungsgesellschaften bei der Betriebsschließung in Gastronomie und Hotellerie nimmt kein Ende. Am Samstag, 21. November, berichtete die „Süddeutsche Zeitung“ über den Fall eines Münchner Gastronomen, der bei der Versicherungskammer Bayern gegen behördlich angeordnete Betriebsschließungen aufgrund von Infektionskrankheiten versichert. Dementsprechend machte der Unternehmer 246.000 Euro bei der Versicherungskammer wegen der Betriebsschließung in Folge des ersten Lockdown im Frühling geltend. Das Ergebnis: Die Versicherungskammer will die Schadenssumme nicht erstatten. Der Gerichtstermin wird für Dezember 2020 erwartet.
Die „Süddeutsche Zeitung“ schreibt: „Die Gesellschaft argumentiert wie im März, versichert sei nur die Schließung wegen einer konkreten Infektion in dem Wirtshaus, aber nicht die ‚generalpräventive Schließung von Betrieben“. Dazu kommt ein neues Argument: Sie verweist auf den zehn Milliarden Euro schweren staatlichen Hilfstopf. Mit ihm will die Regierung Unternehmen für Ausfälle während des zweiten Lockdown entschädigen. Sie sollen 75 Prozent der entgangenen Umsätze erhalten. Der Versicherer schreibt: „Es ist daher zu erwarten, dass etwaige durch die erneuten behördlichen Maßnahmen ausgelösten Schäden durch den Bund ausgeglichen werden, so dass die von den Betriebseinschränkungen betroffenen Unternehmen weder einen Anspruch noch Bedarf auf zusätzliche Versicherungsleistungen haben.“
Das erscheint wie ein höhnisches Argument: Die Versicherungsleistung wird versagt, weil es einen staatlichen Hilfstopf gibt, durch den die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie-bedingten Betriebsschließungen abgemildert werden sollen. Ganz davon abgesehen, dass die staatlichen Hilfsleistungen erst nach und nach gezahlt werden hat das Landgericht München bereits Anfang Oktober festgestellt, dass staatliche Leistungen wie Kurzarbeitergeld und Soforthilfen nicht auf die Versicherungsleistung anrechenbar sind.
Gastronomen und Hoteliers sollten solchen fadenscheinigen Argumenten nicht folgen, sondern auf ihrem Recht beharren, um die Versicherungsleistung zu erhalten. Wichtig ist daher für betroffene gastgewerbliche Unternehmer, dass sie die Versicherungsbedingungen ihrer Betriebsschließungsversicherung genau von einem spezialisierten Rechtsanwalt überprüfen lassen. Stellt sich heraus, dass ihnen rechtlich gesicherte Ansprüche zustehen, sollten sie nicht scheuen, im Zweifel die komplette Palette der möglichen Rechtsmittel bis hin zur Versicherungsschutzklage einzusetzen. Denn es bestehen gute Chancen, dass Versicherungsgesellschaften sich gerade nicht darauf berufen können, dass COVID-19 gar nicht im Infektionsschutzgesetz gelistet und damit Betriebsschließungen aufgrund dieser Krankheit regulierungspflichtig seien.
Apropos Münchner Landgericht: Es sprach dem Pächter des Augustiner-Kellers in der bayerischen Landeshauptstadt 1,014 Millionen Euro Entschädigung zu. Zahlen muss diese Summe die Versicherungskammer Bayern. Bei ihr hatte der Pächter am 5. März 2020 eine Police zum Schutz vor den finanziellen Folgen einer möglichen Betriebsschließung unterschrieben. Ebenso sprach das Landgericht München einem weiteren Gastronomen mehr als 400.000 Euro zu.
Diesen Klageweg sollten gastgewerbliche Unternehmer dringend beherzigen. Dem Gastronomiegewerbe droht nach der durch die Politik seit dem 2. November 2020 angeordneten Betriebsschließung der Kollaps. Nach allgemeiner Auffassung kann die Wertigkeit des verfolgten Zwecks, also der Schutz von Gesundheit und Leben, der stets Vorrang hat, nicht darüber hinwegtäuschen, dass das an den Gesetzgebungsorganen wie Bundestag und den 16 Landesparlamenten vorbei, überhastet angeordnete Mittel der Betriebsschließung nicht dazu dienen kann, den Grad und die Wahrscheinlichkeit der Zweckerreichung herbeizuführen.
Die Ansprüche aus der Betriebsschließungsversicherung sind kein Pappenstiel. Denn viele Unternehmen in der Branche geht es schlicht ums Überleben: Restaurants und Hotels verzeichnen in Folge der Corona-Krise nie dagewesene Umsatzeinbrüche. 71,3 Prozent der gastgewerblichen Betriebe sehen sich aktuell in ihrer Existenz gefährdet. Das geht aus einer Umfrage des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA Bundesverband) hervor. Nach den vorliegenden Ergebnissen drohte jedem sechsten Betrieb (17,5 Prozent) bereits ab November die Insolvenz wegen Zahlungsunfähigkeit.
Über den Autor
Dr. Gerrit W. Hartung ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Strafrecht und Geschäftsführer der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft in Mönchengladbach. Die Kanzlei hat sich ausschließlich auf den Verbraucherschutz spezialisiert und berät in diesem Zusammenhang Gastronomen, Hoteliers und MICE-Unternehmer bei der gerichtlichen und außergerichtlichen Durchsetzung ihrer Ansprüche aus Betriebsschließungsversicherungen. Unter www.betriebsschliessung-corona.de hat Dr. Gerrit W. Hartung eine spezielle Website für geschädigte Gastronomen, Hoteliers und MICE-Unternehmer eingerichtet.
Bildquelle: Canva