Personalnot in der Gastronomie wächst

Personalnot im Gastgewerbe wächst

Gastronomie Hotellerie

Mehr Ruhetage, ein ausgedünntes Angebot, steigende Preise – viele Gastwirte versuchen, die Belastungen durch Personalmangel, Inflation und hohe Energiekosten abzufedern.

Schon jetzt fehlen tausende Arbeitskräfte auch im hessischen Gastgewerbe – und der Branchenverband Dehoga fürchtet eine weitere Verschärfung in diesem Frühjahr. Wenn etwa die Außengastronomie wieder öffne und zugleich wieder mehr Touristen und Geschäftsreisende nach Hessen kommen, dürfte der Bedarf an Beschäftigten weiter steigen, sagte die Interims-Hauptgeschäftsführerin des Dehoga Hessen, Kerstin Junghans der Deutschen Presse-Agentur. «Der Personalmangel zieht sich durch alle Arten der gastgewerblichen Betriebe.» Besonders Köchinnen und Köche fehlten. Hoffnungen setze man auf erleichterte Zugangsregelungen, um mehr Fachkräfte aus dem Ausland einstellen zu können.

Nachdem sich während der Corona-Pandemie zahlreiche Mitarbeiter andere Jobs, beispielsweise im Einzelhandel und in der Logistik, gesucht hätten, erhalte man nun vor allem aus Betrieben in Städten und Metropolregionen Rückmeldungen, dass Beschäftigte nach und nach wieder zurückkehrten und sich auch wieder mehr Bewerber melden. «Bisher reicht das aber noch nicht aus», sagte Junghans. Dass sich die Mitarbeitersuche in ländlichen Regionen schwieriger gestaltet, führt sie vor allem auf Infrastrukturprobleme wie mangelnde öffentliche Verkehrsanbindungen oder Kinderbetreuungsmöglichkeiten zurück. «In unserer Branche kann man eben nun mal nicht aus dem Homeoffice arbeiten», so Junghans.

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Aber auch neue Betriebe haben es teils schwer, Personal zu finden und zu binden, wie Madjid Djamegari sagt. Der Betreiber des Frankfurter Gibson Club und Vorsitzende der Initiative Gastronomie Frankfurt bekommt das auch in seinem vor einem halben Jahr eröffneten Restaurant Club Social Mexicano am Eschenheimer Tor in Frankfurt zu spüren. In dem Betrieb gebe es eine hohe Fluktuation, immer wieder sei er auf Leiharbeitskräfte angewiesen und müsse viel Aufwand betreiben, um ein passendes Team zu etablieren, sagt Djamegari. Wettbewerbern ergehe es ähnlich – teils wendeten sie ihren kompletten Marketingetat für die Personalgewinnung auf.

Zu den fehlenden Bewerbern komme ein naturgemäß höherer Krankenstand in den Wintermonaten. Dadurch können manche Betriebe nur noch drei oder vier Tage pro Woche öffnen und müssen die Reservierungszeiten einschränken, was wiederum auf die Umsätze drückt und die Schwierigkeiten noch vergrößert. Dass der Branche Bewerber fehlen, führt Djamegari auch auf geänderte Ansprüche und Vorstellungen junger Menschen zurück. «Die Work-Life-Balance ist ein Riesenthema», sagt der Gastronom. Selbstverwirklichung stehe hoch im Kurs – deshalb wirke die arbeitsintensive Gastro-Branche, in der man auch viel Verantwortung übernehmen müsse, gerade für junge Leute wenig verlockend. Die Probleme seien nicht neu, hätten sich durch die Corona-Pandemie aber noch verschärft.

Dabei böten sich gerade talentierten Servicekräften gute Verdienstmöglichkeiten, sagt Djamegari. Den Bewerbern gehe es aber nicht nur um Geld – auch flexiblere Arbeitszeiten mit Freizeit an den Wochenenden seien für viele Thema, und nicht wenige Gastronomen gingen darauf auch mit entsprechenden Angeboten ein. Trotzdem schaffen es nicht alle, ausreichend Mitarbeiter zu finden, wie ein Lokal in Wiesbaden, das nach einem Umbau während der Pandemie gar nicht erst wieder aufmachen konnte – weil einfach nicht genügend Arbeitskräfte da waren, wie Djamegari sagt. Hinzu kämen derzeit weitere hohe Belastungen durch die Inflation und die hohen Energiekosten. Das lasse sich nur über eine Professionalisierung und Prozessoptimierung bewältigen, sodass größere Betriebe und Ketten derzeit deutlich besser dastünden.

Aus Sicht der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) sind die Entgelte im Gastgewerbe Dreh- und Angelpunkt bei der Personalgewinnung. Diese lägen nun einmal vielfach nur knapp über dem Mindestlohn, sagt der NGG-Vorsitzende Guido Zeitler. Eine bundesweite Mitgliederbefragung der Gewerkschaft, an der sich kürzlich vorwiegend langjährige Beschäftigte der Branche beteiligt hätten, hatte ergeben, dass etwa ein Drittel von ihnen längerfristig keine Perspektive in ihrem Beruf sehe.

Zeitler findet das nachvollziehbar: Junge Menschen, die noch ohne eigene Familie seien, kämen vielleicht mit Arbeitszeiten von teils zehn Stunden und mehr bis in die späten Abendstunden und mit Schichtdiensten zurecht, doch spätestens wenn die Beschäftigten Kinder haben, werde es schwierig. Langfristig dürfte die Branche deshalb auf noch größere Personalengpässe zusteuern, glaubt Zeitler – gepaart mit kürzeren Öffnungszeiten, mehr Schließtagen und eingeschränkten Buchungsmöglichkeiten. Der Weg zu mehr Mitarbeitern ist aus seiner Sicht nur mit besserem Einkommen möglich. 3000 Euro pro Monat brutto müssten für Fachkräfte künftig das Minimum sein. Die Branche brauche «einen echten Neustart», so Zeitler.


Quelle: dpa
Bildquelle: Hannes P. Albert/dpa/Symbolbild


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