Drastische Einschränkungen im Gespräch: Gastronomie-Szene besorgt Die Stühle im Außenbereich eines geschlossenen Restaurants stehen zusammen. Foto: Sebastian Gollnow/dpa/Archivbild

Drastische Einschränkungen im Gespräch: Gastronomie-Szene besorgt

Gastronomie

Der Bund will mit einem zeitlich beschränkten Lockdown die anschwellende Corona-Infektionswelle brechen. 

Vor den Bund-Länder-Gesprächen über das weitere Vorgehen gegen die Corona-Pandemie wächst in vielen Branchen die Sorge vor einem weiteren Lockdown für Geschäfte, Restaurants, Hotels und Kneipen. Man betrachte die Vorschläge, die unter anderem eine befristete weitgehende Schließung der Gastronomie beinhalten, «sehr kritisch», sagte ein Sprecher des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) in Baden-Württemberg am Mittwoch in Stuttgart. Er betonte, das Gastgewerbe sei nachweislich kein Pandemietreiber. Man behalte sich vor, sich gegen Beschlüsse dieser Tragweite juristisch zu wehren.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wollte an diesem Mittwoch mit den Ministerpräsidenten der Länder über weitere Schritte angesichts der bundesweit anschwellenden Corona-Infektionswelle entscheiden.

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Geht es nach dem Bund, sollen vom 4. November an für zunächst vier Wochen drastische Kontaktbeschränkungen greifen. Die Gastronomie soll demnach bundesweit weitgehend dichtgemacht werden, wie aus einem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Entwurf der Beschlussvorlage des Bundes hervorgeht. Ausgenommen werden sollen die Lieferung und Abholung von Speisen für den Verzehr zu Hause. Auch touristische Übernachtungsangebote im Inland sollen untersagt werden. Nach Ablauf von zwei Wochen sollen Kanzlerin und Länderchefs die erreichten Ziele den Plänen zufolge beurteilen und notwendige Anpassungen vornehmen.

Die FDP-Landtagsfraktion warf der Politik vor, die Fehler aus dem vergangenen Frühjahr zu wiederholen. «Hotels- und Gaststätten haben ausgeklügelte Hygienekonzepte und sind nicht als Hotspots im Infektionsgeschehen aufgefallen», sagte der tourismuspolitische Sprecher der Fraktion, Erik Schweickert. Eine Rückkehr zu Beherbergungsverboten und reinen Lieferdiensten für die Gastronomie bedeute für viele Betriebe das Aus.

Auch viele Händler im Südwesten fürchten drastische Umsatzeinbußen in den kommenden Wochen vor Weihnachten. «Jegliche Einschränkungen, auch Flächenbegrenzungen in diesem für die Händler extrem wichtigen Vorweihnachtsgeschäft, wird für Tausende Betriebe – auch für gesunde mittelständische – das Aus bedeuten», sagt der Präsident des Handelsverbands Baden-Württemberg (HBW), Hermann Hutter. Das kommende Weihnachtsgeschäft sei für die meisten Händler traditionell das umsatzstärkste im Jahr. «Insofern würde ein erneuter Lockdown – egal ob «light» oder verschärft – die Händler ins Mark treffen», sagte er. Dies gelte auch für jegliche Formen der Zutrittsbeschränkungen.

Ziel der baden-württembergischen Landesregierung bleibt es weiter, einen zweiten Lockdown zu verhindern. Schulen, Kitas und Betriebe sollen auf jeden Fall geöffnet bleiben, hatten Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und die CDU-Spitzenkandidatin und Kultusministerin Susanne Eisenmann betont. «Unser Land in einen kompletten Lockdown zu versetzen und alles dichtzumachen und herunterzufahren, hätte nicht nur wirtschaftlich, sozial und bildungspolitisch verheerende Folgen», hatte Eisenmann zuletzt betont. «Es wäre derzeit auch nicht verhältnismäßig.»

Kretschmann will sich erst nach den Beratungen von Bund und Ländern in einem Videostatement zu den Ergebnissen äußern (17.30 Uhr). Dem Vernehmen nach erwartet er von den Gesprächen weitere Kontaktbeschränkungen im Alltag.

Neben den Auflagen für die Gastronomie will der Bund die massiv steigenden Corona-Infektionszahlen mit drastischen Kontaktbeschränkungen noch vor Weihnachten in den Griff bekommen. Bundesweit sollen auch Freizeiteinrichtungen geschlossen, Unterhaltungsveranstaltungen verboten und Kontakte in der Öffentlichkeit sowie Feiern auf Plätzen und in Wohnungen eingeschränkt werden, wie aus dem Entwurf der Beschlussvorlage des Bundes hervorgeht. Unklar ist weiter, inwiefern die Länder sich auf die Maßnahmen einigen können.

Die Beratungen über weitere drastische Einschränkungen gehen einher mit weiter steigenden Infektionszahlen in Baden-Württemberg. Während die Zahl der registrierten Fälle bundesweit einen Rekordwert erreichte, erhöhte sie sich im Südwesten um 1843 Fälle. Insgesamt haben sich bislang mindestens 72 735 Menschen nachweislich mit dem Erreger Sars-CoV-2 angesteckt, wie das Landesgesundheitsamt (Stand: Dienstag, 16.00 Uhr) mitteilte. Die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit dem Virus stieg um 8 auf 1985. Als genesen gelten 52 806 Menschen – 592 mehr als am Vortag.

Landesweit liegt der Wert für Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen bereits bei 89,9 und damit deutlich über der Schwelle von 50 für die höchste Warnstufe im Land.


Quelle:dpa
Bildquelle: Sebastian Gollnow/dpa/Archivbild


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