Auch bei Gesellschafter-Geschäftsführern beziehungsweise mitarbeitenden Gesellschaftern kann es zu einer Sozialversicherungspflicht kommen, wenn ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt. Dies gilt es für Unternehmer in Hotellerie, Gastronomie und MICE genau zu prüfen.
Ein wiederkehrendes Diskussionsthema zwischen Unternehmern und den Behörden ist die Sozialversicherungspflicht für Gesellschafter und Organmitglieder. Grundsätzlich erscheint es zwar als logisch, dass Unternehmer und Gesellschafter-Geschäftsführer von der Sozialversicherungspflicht befreit sind und insbesondere nicht der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht unterliegen. Schließlich sind sie entweder nur finanziell ohne operative Tätigkeit beteiligt oder aber sie nehmen eine Doppelrolle als (Mit-)Eigentümer und Geschäftsführer ein. Auf der anderen Seite sind Fremdgeschäftsführer grundsätzlich sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Für sie sind Sozialversicherungsbeiträge abzuführen.
Aber so einfach kann es nicht verallgemeinert werden: Auch bei Gesellschafter-Geschäftsführern beziehungsweise mitarbeitenden Gesellschaftern kann es zu einer Sozialversicherungspflicht kommen, wenn ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt. Dieses begründet sich regelmäßig darin, dass die Gesellschafter: funktionsgerecht dienend am Arbeitsprozess des Unternehmens teilhaben, für ihre Beschäftigung ein Arbeitsentgelt erhalten und kraft ihres geringen Anteils am Stammkapital keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Kapitalgesellschaft geltend machen können.
Das bedeutet konkret, dass auch in Hotellerie, Gastronomie und MICE genau zu prüfen ist, welche Rolle der Unternehmer in seinem Unternehmen tatsächlich einnimmt und wie die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung ausfallen könnte. Denn nicht selten ist er kein Alleingesellschafter und kann sich damit nicht auf seine umfassende Eigentümerfunktion berufen, um eine Sozialversicherungspflicht zu verneinen. Bei der Deutschen Rentenversicherung heißt es dazu sehr deutlich: „Ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis des Gesellschafters oder Organmitglieds wird nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass der Dienstleistende an der Gesellschaft, für die er arbeitet, kapitalmäßig beteiligt ist.“
Damit spielt tatsächliche, bestimmende Einflussnahme eines Geschäftsführers in Familiengesellschaften bei der Beurteilung der Sozialversicherungspflicht keine Rolle mehr, wie auch das Bundessozialgericht in seinem sogenannten „Schönwetterurteil“ bereits im Jahr 2012 (BSG Urteil v. 29. August 2012,B 12 KR 25/10 R) herausgestellt hat. Entscheidend ist in diesen Fällen jeweils die „Rechtsmacht“ des Gesellschafter-Geschäftsführers. Das bedeutet für Hotellerie-, Gastronomie- und Tagungsunternehmen, die für ihre Anteile haltenden Geschäftsführer aufgrund von schuldrechtlichen Vereinbarungen oder tatsächlicher Weisungsfreiheit bislang keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt haben: Sie müssen deren versicherungsrechtlichen Status neu bewerten. Dass diese Geschäftsführer die „Kopf und Seele“ des Unternehmens sind, ist seit einer Entscheidung des Bundesssozialgerichts aus dem Jahr 2015 (BSG v. 29. Juli 2015, B 12 KR 23/13 R) nicht mehr relevant. Schließlich lautet der Leitsatz des Urteils: „Die insbesondere für das Leistungsrecht der Arbeitsförderung entwickelte ‚Kopf und Seele‘-Rechtsprechung, wonach bestimmte Angestellte einer Familiengesellschaft ausnahmsweise als Selbstständige zu betrachten sind, wenn sie faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen, ist für die Statusbeurteilung im sozialversicherungsrechtlichen Deckungsverhältnis nicht heranzuziehen.“
Das Bundessozialgericht geht noch weiter und betont in einer neueren Entscheidung vom 19. September 2019 (B12 R 25/18 R), dass auch kein Vertrauensschutz in die frühere „Kopf und Seele-Rechtsprechung“ gewährt wird und dass auch beanstandungsfreie frühere Betriebsprüfungen keinen Vertrauensschutz bieten.
Die finanziellen Risiken einer nicht erfüllten Rentenversicherungspflicht – insbesondere auch im Hinblick auf die Versagung eines Vertrauensschutzes nach der neuen Entscheidung des Bundessozialgerichts – sind gigantisch. Die Gesellschaft haftet für die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge für die letzten vier Jahre, bei Vorsatz sogar für die letzten 30 Jahre. Hinzu kommen Säumniszuschläge von einem Prozent pro Jahr. Der Geschäftsführer selbst haftet hierfür sogar strafrechtlich. Um dies zu verhindern, lohnt sich der Aufwand eines Statusfeststellungsverfahrens. Das Statusfeststellungsverfahren im Bereich der gesetzlichen Sozialversicherung dient dazu, den Status von Personen als abhängig Beschäftigte oder selbständig Tätige verbindlich festzustellen. Für die Durchführung des Statusfeststellungsverfahrens ist die sogenannte Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund zuständig. Die Entscheidung der Clearingstelle ist für alle Träger der gesetzlichen Sozialversicherung bindend und schafft damit umfassende Rechtssicherheit.
Wichtig: Das Statusfeststellungsverfahren ist ein komplexer Vorgang, bei dem Rechtsanwälte unterstützen. Denn bei der Frage der erforderlichen Rechtsmacht sind feine Nuancen zu unterscheiden. Während beispielsweise bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer, der 50 Prozent der GmbH-Anteile hält, aktuell grundsätzlich von einer Sozialversicherungsfreiheit ausgegangen werden kann, wird dies bei einem mitarbeitenden Gesellschafter, der ebenfalls 50 Prozent der Anteile an der GmbH hält, in der Regel verneint. Letztlich müssen alle Konstellationen genauestens rechtlich überprüft werden, um Rechtssicherheit zu haben.
Es ergibt Sinn, die Frage nach der Sozialversicherungspflicht bei Unternehmern und operativ tätigen Gesellschaftern schnell zu klären. Die Betriebsprüfung der Deutschen Rentenversicherung erfolgt für Unternehmen in der Regel alle vier Jahre. Das Bundessozialgericht hat zudem in der Entscheidung vom 19. September 2019 die Deutsche Rentenversicherung „angewiesen“, sich diesem Thema zu widmen. Es gilt, auch in diesem wichtigen Bereich Klarheit zu schaffen, um sich keinen überflüssigen Risiken auszusetzen.
Über die Autorin
Rebekka De Conno, LL.M., Fachanwältin für Arbeitsrecht, ist angestellte Rechtsanwältin der multidisziplinären Kanzlei WWS-Gruppe mit Standorten in Mönchengladbach, Aachen und Nettetal am Niederrhein. Die WWS-Gruppe berät Unternehmer und Unternehmen bei sämtlichen relevanten Fragenstellungen aus Steuerrecht und Wirtschaftsprüfung und erbringen hochwertige Rechtsdienstleistungen für Unternehmen und Private Clients. Weitere Informationen unter www.wws-gruppe.de
Bildquelle: Canva